Das Schlüsselloch – denn weniger ist mehr …
I am the Doorway. So heißt eine Kurzgeschichte von Stephen King, die ein Symbol auf den Punkt, das jeden kreativen Prozess mitdefiniert. Das Tor zu anderen Welten.
Okay, ich gebe es zu: Ich habe eine gewisse Besessenheit, was Tore anbelangt. Einen Spleen, was Türen betrifft. Vor allem geschlossene. Denn hinter jeder Tür wartet etwas. Etwas, das mir zuflüstert, die Tür zu öffnen.
Fast noch unwiderstehlicher sind Schlüssellöcher. Echte und virtuelle. Weil weniger oft mehr ist. Das Rundherum, das Abschliessende, bringt das Ziel erst richtig in den Fokus, verleiht ihm Schärfe. Wer will im Theater denn wirklich hinter die Kulisse sehen? Schliesslich soll die Magie unser Blickpunkt bleiben, nicht das seelenlose Räderwerk rundherum.
Weniger ist mehr.
Eine geschlossene Tür kann die Phantasie weit mehr anregen als eine offene, ein Schlüsselloch geheimnisvoller sein als ein Kuriositätenkabinett. Genau wie eine Frau, die wenig Haut zeigt, oft reizvoller ist als jene verzweifelten Kreaturen, die gleich alle nackten Fakten auf den Tisch legen müssen. So, wie sich die Erotik der Fünfzigerjahre (Marylin Monroe) vom nüchternem Marketing-Sex (Miley Cirus, Paris Hilton) der Neuzeit unterscheidet, so deutlich ist der Unterschied zwischen dem magischen, vieles verbergenden Schlüsselloch und dem kühlen Rampenlicht des Ego-Zeitalters.
Seit eh und je sind wir vom Unbekannten fasziniert. Obwohl wir Angst haben, treibt uns eine perverse Neugier vorwärts. Und da wir hier sind, das Unbekannte aber dort, brauchen wir ein Tor, das uns dorthin führt – oder zumindest ein Schlüsselloch, um vorerst gefahrlos und heimlich hinüberzuspähen.
Von keiner Reise kommen wir als Dieselben zurück, die wir waren.
Eines meiner liebsten Schlüssellöcher ist und bleibt das Buch. Es schenkt uns Einblicke in die Seelen und Welten unserer (schreibenden) Mitmenschen. Solche Einblicke sind keine reine Unterhaltung. Sie berühren uns. Verändern uns. Denn von keiner Reise kommen wir als Dieselben zurück, die wir waren.
Fragt man mich nach dem Sinn des Lebens, so habe ich keine Antwort (vielleicht bis auf „42„). Wenn ich aber eine Vermutung äussern dürfte, wäre es, dass es in unserem Leben um Entwicklung geht. Entwicklung entsteht durch innere oder äussere Reize. Womit wir die äussere, angeblich „reale“ Welt genau so brauchen wie die virtuellen Welten in unserem Inneren – oder in den parallelen Welten des Multiversums.
Komm mit. Dort drüben im Dunkeln leuchtet etwas. Ich glaube, es ist ein Schlüsselloch …