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Bestimmung und Liebe haben einiges gemeinsam. Zuerst verliebt man sich, der Enthusiasmus überbordet, alles läuft von selbst. Aus der Verliebtheit wird Liebe, man beginnt, sich in die Sache zu vertiefen, sie ernster zu nehmen – und erste Probleme zu erkennen.

Die dritte Phase heisst auf Neudeutsch Commitment. Hingabe. Selbstverpflichtung. Erst jetzt folgt das wahrhaft strenge, dafür nachhaltige Kapitel. Es ist die Phase, in der viele Paare sich scheiden lassen, weil es zu anstrengend wird, zu frustrierend. Es ist die Phase, wo der Mensch, der seine Bestimmung gefunden hat, diese vielleicht fallen lässt und aufgibt.

Ich kenne das Gefühl. Wer schon nicht? Patricia Kaas bringt es in ihrem Lied „Mademoiselle Chante le Blues“ auf den Punkt: „(Y’en a) Qui veulent se faire du bien sans jamais s´faire du mal.“ Frei zu Deutsch: es gibt Menschen, die sich ständig Gutes tun möchten, ohne je das Mühselige zu erleben. Ein Teil in mir, mein innerer Schweinehund-Dämon, flüstert mir den Text oft durch grinsende Schweinelippen zu.

Da ist aber auch der andere Teil. Der Teil, der sich daran erinnert, wie das mit der Verliebtheit (in die Schriftstellerei) war. Der Teil, der sich an der eigenen Lernkurve erfreut, der Stolz ist auf den Sieg über den Schweinehund. Muss man dafür etwas opfern? Klar. Tut das Opfer immer weh? Wahrscheinlich. Vielleicht heisst wahres Commitment, sich mit einer gewissen Portion Masochismus anzufreunden. Wenn man das Wort ‚Opfer‘ durch ‚Entscheidung‘ oder Priorität‘ ersetzt, entstehen schon ganz andere Gefühle.

Commitment – eine Zusage fürs Leben

In der Kirche heisst es bei der Vermählung ‚Bis dass der Tod euch scheidet.‘ In meinem Leben gilt dies viel eher für die Ehe mit der Berufung. Menschen ändern sich. Eine Berufung kaum. Vor Jahren kam somit die Entscheidung auf mich zu, ob ich vor dem heiligen Altar der Berufung „Ja!“ sagen möchte. Ob ich mich traue. Die Angst war gross, die Liebe grösser. Ich sagte ja, gab meine alte Arztpraxis auf und sattelte um auf ein ausgewogenes Leben zwischen (psychologischer) Praxis und Schriftstellerei. So sind inzwischen sechs Bücher entstanden, vom augenzwinkernden Lebensberater bis zum düsteren Thriller. Und falls ich am Ball bleibe – was ich 100% vorhabe – werden noch viele Werke das Licht der Welt erblicken.

… or die trying.

In den USA hört man oft den geflügelten Satz, dass man etwas auf Biegen und Brechen durchziehen soll – „or die trying“ (oder dabei untergehen). Hart, aber wahr. Eine Berufung verlangt Biss, einen knochenharten, nie-mehr-loslassenden Rottweiler-Biss. Die Schriftstellerei ist keine Ausnahme. Egal, wie begabt man ist oder zu sein glaubt, neunzig Prozent der Prozedur sind harte Arbeit. Und man weiss nie, ob der erhoffte Durchbruch jemals kommt. Wer behauptet, er schreibe nur für sich selbst, belügt sich wahrscheinlich. Der kreative Prozess des Schreibens in sich ist ein Genuss, die Perfektionierung eine harte, langwierige Arbeit, eine treue Leserschaft das Tüpfelchen auf dem i, das Sahnehäubchen auf der Torte.

Berufungen haben oft mit Kunst zu tun. Mit Kunst zu überleben ist statistisch gesehen schwieriger, als im Lotto zu gewinnen. Sollte uns das kümmern? „Niemals, Shadowmaster!“

Werden wir es jemals schaffen, mit unserer Berufung zu wachsen, uns zu entwickeln, mit und von ihr zu leben, in ihr aufzugehen? Was dies betrifft, schalte ich auf Ford-Modus: „Ob du denkst, du schaffst es, oder du schaffst es nicht: Du wirst auf jeden Fall recht behalten.“

Genug der Worte: Die Schreibmaschine ruft!