Schurken sind die Vitamin-Spritzen des Thriller-Autors. Was die Spannung betrifft, sind sie das Salz in der Suppe, und so überkommt mich immer wieder das Verlangen, in die Welten der Bösewichte einzutauchen, sie besser kennenzulernen, mich von ihnen inspirieren zu lassen. Einige von ihnen leben in den Dimensionen der Fiktion. Andere wiederum treiben (oder trieben) ihr Unwesen in der realen Welt.
Der bekanntest Blutsauger der Welt
Kürzlich stolperte ich über eines der prominentesten Monster der Menschheitsgeschichte. Jeder hat von ihm gehört. Jeder. Graf Draculas Bekanntheitsgrad ähnelt dem der Coca Cola-Flasche. Doch was genau wissen wir wirklich über ihn? Antwort: Vieles. Sehr, sehr Vieles. Und nicht immer werden wir dem Woiwoden gerecht.
Eine Vorliebe fürs Pfählen
Vlad III., genannt Drăculea, auch genannt Țepeș (= der Pfähler), war wahrscheinlich kein Vampir. Ob er ein Monster war, darüber lässt sich streiten. Klar, er hatte eine Vorliebe fürs Pfählen, eine ziemlich unschöne Foltermethode, bei der man den Verurteilten nackt auf einen eingefetteten Holzpfahl setzte, so dass sich dieser ganz langsam durch den Körper bohrte … unschön! Übrigens interessant, dass man „echten Vampiren“, um sie zu töten, einen Holzpfahl durchs Herz stossen soll … eine verschleierte Rachephantasie an Vlad III.?
Doch eigentlich war Vlad III. ein Kriegsheld. Sein Widerstand gegen das Osmanische Reich war ebenso beispiellos wie seine legendäre Grausamkeit, die den irischen Schriftsteller Bram Stoker vermutlich zu seinem Roman ‚Dracula‘ inspirierte.
Es gibt aber eine mögliche Erklärung für Vlads Blutdurst. Sein Vater, Vlad II., geriet durch den osmanischen Sultan Murad II. unter einen solchen Druck, dass er sich ihm unterwarf und ihm seine beiden Söhne Vlad und Radu als Faustpfand übergab. Na hallo, welcher Vater tut schon so was?
Geißel der Osmanen
Aufgrund Vlads dickköpfigem und störrischem Verhalten soll der Knabe oft ausgepeitscht (und wohl auch sonst gequält) worden sein: die perfekte Basis für eine Posttraumatische Belastungsstörung! Und ja, Vlad lernte in der osmanischen Gefangenschaft nicht nur Türkisch, sondern auch die Kunst des Pfählens … was beides noch ein Nachspiel haben sollte (siehe unten).
Über abenteuerliche Umwege wurde Vlad III. schließlich zum Machthaber des Fürstentums Walachei, und seine Vorliebe für brutale Folter und Hinrichtungen sprach sich bald herum – was in der damaligen, unglaublich gewalttätigen Zeit die Vlads Machtposition stärkte.
Vor den Städten entstanden ganze Wälder von Pfählen, auf denen tausende von Leichen verwesten – eine hocheffiziente Abschreckung gegen Feinde, Diebe, Lügner und Mörder. Vlads brutale Strenge bewährte sich in jener chaotischen Zeit, und unter seiner eisernen Hand sank die Kriminalität und Korruption gewaltig. Viele Untertanen verehrten Vlad III. für sein unerbittliches Beharren auf Recht und Ordnung.
Als die Osmanen zu einer immer größeren Bedrohung wurden, war Vlad der Einzige, der es mit dem Feind aufnahm. Strategisch schlau schlug er eine tausend Mann starke osmanische Truppe in einer engen Schlucht, um kurz darauf mit seiner eigenen Arme in türkischer Verkleidung zu einer feindlichen Festung vorzurücken, wo er in türkischer Sprache befahl, die Tore zu öffnen. Die List gelang, und Vlads Truppen zerstörten die osmanische Festung.
Guerilla-Krieger und Erfinder der Bio-Waffen
Der weitere Kriegsverlauf liest sich wie ein brutaler Thriller. Da die Türken zahlenmäßig weit überlegen waren, griff Vlad zu Guerillataktiken, attackierte den Feind aus dem Hinterhalt, hinterließ bei seinem Rückzug nur verbrannte Erde, vergiftete Gewässer, und schickte sogar Tuberkulose-, Lepra- und Pestkranke in die Feldlager der Türken – womit Vlad der Erfinder der biologischen Kriegsführung war.
Fazit: Es ist gut möglich, dass Vlad III. durch die Kombination eines Lebens in einer unglaublich kriegerischen und brutalen Epoche und seiner eigenen traumatischen Erlebnisse als Geißel der Osmanen zu jener Bestie wurde, die man in den Geschichtsbüchern findet. Jedenfalls waren die damaligen Zeiten nichts für Weicheier, und vielleicht war Gnadenlosigkeit der einzige Weg, zu überleben oder gar das eigene Volk vor der Versklavung zu retten. Was wiederum darauf hindeutet, dass Bösewichte und Schurken nicht einfach böse sind und damit Basta: es steckt stets eine Geschichte dahinter!
Übrigens hat Vlad Țepeș, der Blutsauger aus Transylvanien, einen indirekten Gastauftritt in meinem Mystery Thriller ACE DRILLER — wo weitere prickelnde Details zum bekanntesten Pfähler der Welt aufgedeckt werden …