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Als Schriftsteller lässt man sich ständig auf neue Beziehungen ein. Beziehungen zu den eigenen Romangestalten. Egal, ob sie einem sympathisch oder unsympathisch sind, ob Hauptfiguren oder Nebencharaktere – sie alle pochen auf ihr Recht, zu Wort zu kommen, wahrgenommen zu werden. Manchmal sind solche Rendezvous anregend. Manchmal beängstigend.

Kürzlich traf ich mich mit Michael Coppola, dem Bösewicht aus meinem Thriller „Der Screener“ …

YP: Mister Coppola, Sie sind ein Mafioso, ein Sadist, ein eiskalter Psychopath. Was treibt Sie an? Wovon genau kriegen Sie Ihren Kick, ein Monster zu sein?

Coppola (lächelt süffisant): Nenn mich Mike. Das Gespräch hier kann ganz kollegial ablaufen. Als wären wir Freunde.

YP: Freunde?

Coppola: Nun ja, du hast mich erschaffen. Wofür ich mich bedanke. Was aber noch lange nicht heisst, dass du vor mir sicher bist. Und ich bin kein Psychopath. Ich habe einfach ein paar kleine … nun, Besessenheiten.

YP: Ich würde es eher eine soziopathischen Ader nennen.

„Wovon genau kriegst du deinen Kick, ein Monster zu sein?“

Coppola: Hast du Angst vor mir?

YP: Ein wenig, ja.

Coppola: Da ist er.

YP: Wer?

Coppola: Na der Kick, nach dem du gefragt hast! Ist dir bewusst, wie stark, wie mächtig ich mich fühle, wenn ich dich hier über deinen Notizblock gebeugt sehe, während du versuchst, mich unauffällig im Auge zu behalten? Als könnte ich dich jederzeit … anspringen?

YP: Wie ich mich erinnere, wurdest du als Kind von deinem Vater gequält. Ist es denn wirklich so, dass sich die Geschichte immer wiederholen muss? Dass du deine Traumata – statt sie therapieren zu lassen – wie jeder beliebige Psychopath ausagieren musst?

„Ausagieren macht mehr Spass als Therapie …“

Coppola (lächelt): Ausagieren macht mehr Spass als Therapie. Es ist natürlicher, befreiender. Zudem habe ich mehrere Seelenklempner ausprobiert. Keiner konnte mir helfen. Einige waren so schlecht, dass ihr Berufstitel eine reine Anmassung war.

YP: Und diese Psychiater sind nun …

Coppola: Tot? Klar. Und wie du dir denken kannst, hatten sie keinen leichten Abgang.

YP: Ein unschöner Gedanke. Doch bleiben wir beim Thema. Du liebst also das Gefühl der Macht, wenn du über das Leben anderer bestimmst. Mit ihnen tust, was immer dir beliebt. Und die Angst deiner Opfer schenkt dir dieses Machtgefühl.

Coppola: Oh, nicht nur ihre Angst. Auch ihr Schmerz, ihr Respekt, ihre Ehrfurcht, ihre Faszination vor meiner Skrupellosigkeit.

YP: Faszination? Ich folge nicht ganz …

Coppola: Natürlich tust du das. Schau dich doch an. Du bist von mir fasziniert. Gerade jetzt. Und weisst du, warum?

YP: Um des Gespräches willen: Warum?

Coppola: Weil du mich um meine Freiheit beneidest. Um das, was du und deinesgleichen nie haben werdet. Die Freiheit, ohne Gewissensbisse, ohne Angst vor Recht, Moral und Gesetz mein eigenes Ding durchzuziehen. Zu tun und mir zu nehmen, was ich will. Die Freiheit, mich wie ein Gott zu fühlen, ohne mich dafür schämen zu müssen. Wenn das nicht grenzenlose Macht ist!

YP: Vielleicht täuschst du dich. Ich habe dich erschaffen. Genauso leicht kann ich dich vernichten. Sobald ich den zweiten Teil von „Der Screener“ fertiggeschrieben habe, sobald ich ihn veröffentliche … wer weiss, ob du dann noch existierst.

„Die Geschichte ist noch nicht fertiggeschrieben …“

Coppola (lächelt gelassen): Wie ich es sehe, ist der Roman noch nicht fertiggeschrieben. Und ehrlich gesagt habe ich Mühe zu glauben, dass du mich so einfach loslassen kannst. In deinem Roman bin ich das Salz in der Suppe. Der Pfeffer im Gericht. Ich verpasse deiner Story erst die richtige Würze. Und wenn das alles nicht genügen sollte, um mich am Leben zu halten —

YP: Dann was?

Coppola (lässt sein Zippo-Feuerzeug aufschnappen, betrachtet die Flamme): Ich weiss, wo du wohnst …