Ein Roman hat hohe Erwartungen zu erfüllen. Zwei der wichtigsten: Einen perfekten Anfang. Ein perfektes Ende.

Hast du schon einmal die ersten und letzten Sätze deiner Lieblingsbücher genau studiert? Wahrscheinlich nicht. Würde dir auffallen, dass der erste und letzte Satz wahrscheinlich eine Granate ist? Wahrscheinlich schon.

Der erste und der letzte Satz müssen eine Granate sein.

Ausnahmen ausgenommen können die meisten Bestseller mit einem zündenden Alpha und Omega auftrumpfen. Beispiel gefällig? Nun, ein brillanter Auftakt zu einer ultraspannenden Fantasy-Saga ist dem Grossmeister Stephen King in ‚Der Dunkle Turm‘ gelungen:

„The man in black fled across the desert and the gunslinger followed.“

Wham-bam!
Game, Satz und Match King. Auf Deutsch leider etwas lahmer („Der Mann in Schwarz floh durch die Wüste und der Revolvermann folgte ihm.“ Doch egal, in welcher Sprache – man sieht ein Bild. Man fühlt eine Stimmung. Man will mehr wissen.
www.PatakBooks.com Yves Patak Schriftsteller Initialfunke Perfekter AnfangEinem solchen Initialfunken kann man nichts beifügen. Und den Funken braucht es. Die Aufmerksamkeitsspanne unseres Gegenübers ist kurz. Sehr, sehr kurz. Ein Buch-Cover hat genau drei Sekunden Zeit, einen potentiellen Leser dazu zu verleiten, das Buch überhaupt in die Hand zu nehmen (oder anzuklicken). Ein erster Satz muss ins Schwarze treffen, sonst ist die Leserin weg. Sogar bei ersten Blind Date entscheidet der erste Moment, der erste Eindruck über unser Schicksal. (Beunruhigend, nicht wahr? Von wegen Druck und Erwartungshaltung … don’t we love it).
Übrigens würde ich die ‚Dark Tower‘-Serie jederzeit auch ein drittes Mal mit Wonne und Gänsehaut lesen oder als Hörbuch hören … worauf wartest du noch?

Der Self-Publishing-Day 2017 in ein paar Worten? Geht nicht, zu viele Eindrücke, zu viele Möglichkeiten. Fazit des Tages: äusserst stimulierend! Herzlichen Dank meinem Coach & Lektor Thomas Hoffmann für den heissen Tipp.

Self-Publishing: Community rules!

Ein paar Quintessenzen:

Sympathisch: Community rules! Schriftsteller und LeserInnen kommen sich näher, wollen sich gegenseitig kennen, ein Hauptmerkmal der SP-Welt.

Erschreckend: in Deutschland können trotz Self-Publishing-Boom momentan nur 250 (!) Autoren vom selbstverlegten Schreiben leben. Jesum peace maan, wie die Jamaikaner sagen würden … doch es gilt der Kernsatz: Never give up!

Nützlich: Selfpublisher können sich den teuren Schriftsetzer eventuell dank der Vellum-Software ersparen. Mit Vellum könne man im Nullkommanix wunderbar professionelle eBooks erstellen.

Der Newsletter bleibt ein Grundpfeiler des Self-Publishings

Wichtig: der Newsletter (der natürlich keinesfalls so heissen darf) ist weiterhin einer der robustesten Grundpfeiler des SP-Marketings. Also bitte unbedingt dort genug Zeit und Kreativität einsetzen, um die LeserInnen in den eigenen Verteiler zu motivieren. In den NL gehört übrigens möglichst keine Eigenwerbung, viel mehr sollte er den LeserInnen ein Mehrwert sein. What else.

Erfreulich: Autoren arbeiten immer mehr und erfolgreicher zusammen statt gegeneinander. Neid ist out, Kooperation ist in. Bravo, Männer und Frauen der glühenden Feder!

Knifflig: Gratis eBook-Aktionen können nützlich sein, sollten aber gemäss einem cleveren Algorithmus ermessen werden, sonst kann der Schuss nach hinten losgehen. Falls man solche Gratisaktionen durchführt, sollten diese genau so ernst genommen werden wie eine Buchveröffentlichung, samt Ankündigung, Werbung etc. Richtig angewendet kann ein solcher Anreiz auch die NL-Liste massgeblich wachsen lassen.

Modern: Gewisse Plattformen gehören ganz der jungen (und junggebliebenen) Schreibergilde, die immer häufiger ihre Romane gleich auf dem Handy schreibt. Echt! Da kann ich Fossil samt meiner Alterssichtigkeit gleich einpacken, o tempora o mores … Beispiel: StoryWunder.com (noch in der Beta-Phase, aber man kann sich schon eintragen), oder Wattpad.

Lesungen: Für die meisten Musensöhne und -töchter ist es ganz schön schwierig, Lesungen zu organisieren, denn die Organisatoren möchten natürlich möglichst nur Promis ans Mikrophon lassen. Der Geheimtipp, der immer vom Radar fällt: Büchereien und Bibliotheken sind zunehmend im Trend, wenn es um Lesungen geht. Einfach mal anfragen!

Gedruckte Bücher als Geschenk beliebter als eBooks

Share: das Ausleihen von eBooks ist ein wichtiges Marketing-Tool, z.B. via Onleihe.
Community: die grösste deutschsprachige Plattform, auf der sich Leser, Autoren und Verlage begegnen, ist Lovelybooks. Sympathisch, thematisch stimmig und empfehlenswert. Leserunden und Bücherverlosungen sind immer populär, Printbücher als Preis deutlich beliebter als eBooks. Das haptische Element lebt fort!

Etikette: Buchblogger sind weiterhin unverzichtbare Multiplikatoren, wollen aber mit Respekt behandelt werden. Also bitte mit dem korrekten Namen ansprechen, nur mit dem passenden Genre, und auch bei Absagen höflich bleiben!

Stimme: Der Workshop bei Radio-Dame Brigitte Mayer war toll, denn auch Selbstvertontes kann ein klasse Marketing-Tool sein. Man übe die eigene Stimme und vertone damit eigene Podcasts, Lesungen, Bücher. Und professionelles Sprechen ist ein absolutes Muss, wenn man einen Job wählt, der mit Publikum zu tun hat. Ich jedenfalls bin am 9.9. 2017 bei Brigitte am Tagesworkshop in München dabei. Übrigens, wenn man „in die Füsse spricht“ ist man ganz bei sich! 🙂

Essentielle Hingucker: Cover und KurztextYves Patak Schriftsteller www.PatakBooks.com Bücherei Bibliothek Lesung Self-Publisher-Day 2017

In der Kürze liegt die Würze: Kurztexte, z.B. für den Buchklappentext (U4-Text, Blurb) wollen gelernt sein. Lieber einfach als kompliziert, Adjektive und Adverbien sind selten deine Freunde, bremsende Wörter eliminieren, ein Cliffhanger-Ende zeigt Souveränität. Die Zielgruppe sollte man nicht nur beim Romanschreiben, sondern auch beim Kurztext glasklar vor Augen behalten.

Design: das Cover sollte man in der Regel den Profis überlassen. Selbstgebasteltes kann ein gutes Buch auf den Komposthaufen katapultieren. Farbenlehre ist spannend, ebenso das Wissen rund um Schriftwahl, Typographie und andere Details. Eine gute und günstige Anlaufstelle ist 99designs.com, wo ich mit der Designerin Meella ausgezeichnete Erfahrungen machte: inzwischen hat sie alle meine Covers neu gestaltet (zu sehen auf www.PatakBooks.com)

Last not least: der nächste Selfpublisher Day findet am 26. Mai in 2018 in Düsseldorf statt: See you there! 🙂

PS: Schon gewusst, dass es bereits Witze über Self-Publishing-Autoren gibt?

Kommt eine Indieautorin zum Arzt, und der sagt zu ihr: „Sie haben nur noch 4 Monate zu leben !“

Die SP-Autorin: „Von was …? „

Hola! Was tust du gerade? Klar doch: Du verbringst Zeit damit, diese Zeilen zu lesen (was du nicht bereuen wirst). Über die Zeit gibt es unzählige Meinungen und philosophische Ergüsse. Sollten wir uns überhaupt mit der Zeit befassen? Denn egal, ob wir es tun oder nicht, sie zerrinnt, Sand zwischen unseren Fingern.

Oder etwa doch nicht?

Im Gefängnis steht die Zeit still. Bei einem Rendezvous mit dem liebsten Menschen vergeht sie im Fluge. Zeit ist also relativ. Und launisch. Der griechische Gott der Zeit heisst Chronos (daher das Chronometer). Klar. Doch wer weiss schon, dass Chronos einen Vetter hat? Dieser weitgehend unbekannte Kerl namens Kairos ist der Gott des günstigen Zeitpunkts für eine Entscheidung. Trifft man diese nicht, kann dies böse Folgen haben.

Kairos sagt: „Entscheide dich … jetzt!“

Als ich während meiner Recherchen über diesen Gott stolperte, musste ich ihn unbedingt in meinen Thriller „Tödlicher Schatten“ einbauen, inklusive einen Teil des Gedichts von Poseidippos von Pella, ein Dialog, bei dem Kairos sich selbst erklärt (gekürzte Fassung):
Wer bist du?
Ich bin Kairos, der alles bezwingt!
Warum fällt dir eine Haarlocke in die Stirn?
Damit mich ergreifen kann, wer mir begegnet.
Warum bist du am Hinterkopf kahl?
Wenn ich mit fliegendem Fuß erst einmal vorbeigeglitten bin,
wird mich auch keiner von hinten erwischen
so sehr er sich auch bemüht.“

Nur nichts Falsches tun …

Die Botschaft: „Nur nichts Falsches tun“ ist schön und recht, aber Nicht-Handeln kann auch fatal sein. Manchmal geht es im Leben darum, den Moment einfach zu packen, egal, wie unsicher wir sind
– denn er kommt nie wieder. Passivität ist also keine Pauschallösung. Kairos wird uns ein Leben lang begleiten, an uns vorbeiflitzen und uns nur ganz, ganz wenig Zeit geben um zu entscheiden, ob es darum geht, abzuwarten – oder den Moment beim Schopf zu ergreifen.www.PatakBooks.com Yves Patak Schriftsteller Kairos der Gott des günstigen Augenblicks

In meinem Praxisalltag erkenne ich täglich, wie Menschen unter der Bürde der nicht-getroffenen Entscheidung leiden. Im angelsächsischen Raum nennt man dieses oft tiefsitzende psychologische Problem Procrastination, zu Deutsch: Verschleppungstaktik oder Aufschieberitis.

Entscheidungen treffen ist nicht leicht – aber es befreit, macht den Kopf frei für anderes. Somit gilt: wer sich nicht entscheiden kann, werfe eine Münze. Langes Grübeln hat noch kaum je eine bessere Entscheidung gebracht. Und ich entscheide mich dafür, diesen Artikel an dieser Stelle zu beenden und an meinem nächsten Thriller weiterzuschreiten …

Bestimmung und Liebe haben einiges gemeinsam. Zuerst verliebt man sich, der Enthusiasmus überbordet, alles läuft von selbst. Aus der Verliebtheit wird Liebe, man beginnt, sich in die Sache zu vertiefen, sie ernster zu nehmen – und erste Probleme zu erkennen.

Die dritte Phase heisst auf Neudeutsch Commitment. Hingabe. Selbstverpflichtung. Erst jetzt folgt das wahrhaft strenge, dafür nachhaltige Kapitel. Es ist die Phase, in der viele Paare sich scheiden lassen, weil es zu anstrengend wird, zu frustrierend. Es ist die Phase, wo der Mensch, der seine Bestimmung gefunden hat, diese vielleicht fallen lässt und aufgibt.

Ich kenne das Gefühl. Wer schon nicht? Patricia Kaas bringt es in ihrem Lied „Mademoiselle Chante le Blues“ auf den Punkt: „(Y’en a) Qui veulent se faire du bien sans jamais s´faire du mal.“ Frei zu Deutsch: es gibt Menschen, die sich ständig Gutes tun möchten, ohne je das Mühselige zu erleben. Ein Teil in mir, mein innerer Schweinehund-Dämon, flüstert mir den Text oft durch grinsende Schweinelippen zu.

Da ist aber auch der andere Teil. Der Teil, der sich daran erinnert, wie das mit der Verliebtheit (in die Schriftstellerei) war. Der Teil, der sich an der eigenen Lernkurve erfreut, der Stolz ist auf den Sieg über den Schweinehund. Muss man dafür etwas opfern? Klar. Tut das Opfer immer weh? Wahrscheinlich. Vielleicht heisst wahres Commitment, sich mit einer gewissen Portion Masochismus anzufreunden. Wenn man das Wort ‚Opfer‘ durch ‚Entscheidung‘ oder Priorität‘ ersetzt, entstehen schon ganz andere Gefühle.

Commitment – eine Zusage fürs Leben

In der Kirche heisst es bei der Vermählung ‚Bis dass der Tod euch scheidet.‘ In meinem Leben gilt dies viel eher für die Ehe mit der Berufung. Menschen ändern sich. Eine Berufung kaum. Vor Jahren kam somit die Entscheidung auf mich zu, ob ich vor dem heiligen Altar der Berufung „Ja!“ sagen möchte. Ob ich mich traue. Die Angst war gross, die Liebe grösser. Ich sagte ja, gab meine alte Arztpraxis auf und sattelte um auf ein ausgewogenes Leben zwischen (psychologischer) Praxis und Schriftstellerei. So sind inzwischen sechs Bücher entstanden, vom augenzwinkernden Lebensberater bis zum düsteren Thriller. Und falls ich am Ball bleibe – was ich 100% vorhabe – werden noch viele Werke das Licht der Welt erblicken.

… or die trying.

In den USA hört man oft den geflügelten Satz, dass man etwas auf Biegen und Brechen durchziehen soll – „or die trying“ (oder dabei untergehen). Hart, aber wahr. Eine Berufung verlangt Biss, einen knochenharten, nie-mehr-loslassenden Rottweiler-Biss. Die Schriftstellerei ist keine Ausnahme. Egal, wie begabt man ist oder zu sein glaubt, neunzig Prozent der Prozedur sind harte Arbeit. Und man weiss nie, ob der erhoffte Durchbruch jemals kommt. Wer behauptet, er schreibe nur für sich selbst, belügt sich wahrscheinlich. Der kreative Prozess des Schreibens in sich ist ein Genuss, die Perfektionierung eine harte, langwierige Arbeit, eine treue Leserschaft das Tüpfelchen auf dem i, das Sahnehäubchen auf der Torte.

Berufungen haben oft mit Kunst zu tun. Mit Kunst zu überleben ist statistisch gesehen schwieriger, als im Lotto zu gewinnen. Sollte uns das kümmern? „Niemals, Shadowmaster!“

Werden wir es jemals schaffen, mit unserer Berufung zu wachsen, uns zu entwickeln, mit und von ihr zu leben, in ihr aufzugehen? Was dies betrifft, schalte ich auf Ford-Modus: „Ob du denkst, du schaffst es, oder du schaffst es nicht: Du wirst auf jeden Fall recht behalten.“

Genug der Worte: Die Schreibmaschine ruft!

Kreative Trance ist magisch, und erstaunlich einfach. Die inneren Welten sind so spannend wie die äußeren: unendlich, unglaublich, unmöglich – und vor allem unwiderstehlich.

Trance – das Tor zu anderen Welten

Um Welten zu bereisen, braucht es einen Zugang. Ein Tor. Ich persönlich nenne dieses Tor ‚Trance‘, oder kreative Trance. Es ist eine launische Pforte, denn sie lässt sich nicht immer finden, und selbst wenn man sie findet nicht immer öffnen. Wie beim ‚Magic Eye‘ finden die einen unter uns das Tor dorthin mit Leichtigkeit, andere gar nicht. Wie es scheint, suchen die meisten unserer Mitmenschen das Tor zu anderen Welten inzwischen im Handy. Nun, jedem Tierchen sein Pläsierchen.
Doch kommen wir zu unserem magischen Tor zurück.
Die amerikanischen Indianer kannten einen eindrücklichen Weg, es zu finden. Der junge Indianer, der das Mannesalter erreicht hatte, zog sich auf den Berg oder in die Wüste zurück, um sein Totem – sein Krafttier – zu finden. Wie machte er das? Indem er die Umgebung absuchte? Nein, er stand in die glühenden Sonne, hungerte und durstete so lange, bis sein Geist in einen Trancezustand glitt, bis sich das Tor zu den inneren Welten öffnete. Und dort, in den inneren Jagdgründen, sah er den Adler, den Kojoten, den Büffel, jenes Tier, das perfekt zu ihm passte, ihn widerspiegelte und fortan begleiten sollte – weil es aus seiner eigenen Tiefe zu ihm kam. Erst danach suchte er in der Aussenwelt nach jenem Tier, um es dann als mächtiges Symbol bei sich zu tragen.
Jedes Mal, wenn wir durch jenes Tor in uns selbst hineinblicken, entdecken wir unbekannte Welten – und Teile unserer selbst. Egal, ob es darum geht, ein Buch zu schreiben, die eigenen Dämonen zu bekämpfen oder der Erleuchtung ein Stück näher zu kommen … der Ruf der Wildnis kommt primär von innen!

Wenn ich mein Leben betrachte, so sind es eigentlich drei. Jedes hat seine Reize und seine Herausforderungen. Seine Möglichkeiten. Sowas nennt man wohl angewandte Schizophrenie mit Wohlfühl-Faktor.

Angewandte Schizophrenie

Da gibt es das Leben mit der Familie und den Freunden — ein Leben voller schöner Momente, voller Routine und Anforderungen. Der herrlich genussvoll-turbulente Alltag. Dann das Leben als Arzt und Lebensberater: auch nach zwanzig Jahren bin ich mit Herz und Seele dabei, wenn ein Mensch samt einem Sack voller Probleme zu mir findet. Die Prämisse bleibt stets die gleiche: Präsent sein und achtsam zuhören; Perspektiven anpassen, gemeinsam kreative Lösungen suchen – die es interessanterweise meistens gibt.

Im Rausch der Möglichkeiten

Und da gibt es noch das Leben des Schriftstellers. Das Leben, in dem alles möglich ist. Kann es etwas Wunderbareres geben? Auf das Risiko hin, asozial zu klingen: es ist wahrscheinlich das faszinierendste dieser drei Leben. Und je länger ich mich mit ihm beschäftige, desto weiter öffnet sich der Türspalt, desto tiefer wird der Einblick in … in was? In parallele Universen? In das Leben anderer Menschen, die ich eigentlich nicht kenne? Ist es wirklich „nur“ Phantasie – und spielt es überhaupt eine Rolle?

Echt oder fiktiv … wen juckt’s?

Die eigentlichen Fragen lauten:
Spielt es eine Rolle, ob echt oder fiktiv? – Nein.
Macht es mir Spass? – Mit Sicherheit.
Ist es gefährlich? – Vielleicht.
Lohnt es sich, die Gefahr auf mich zu nehmen? – Hunderprozentig.

Möglichkeiten sind tückisch. Manche Psychologen meinen, dass der Mensch der Moderne an den tausend Möglichkeiten des „realen“ Lebens allein zerbricht. Wende ich mich also zusätzlich den unbegrenzten Möglichkeiten der Phantasie und Fiktion zu, besteht die reelle Gefahr, mich in dieser Unendlichkeit zu verlieren. Doch wer sagt, dass ich das nicht sollte?

Alles ist Maya

In der indischen Philosophie gilt der Leitspruch „Alles ist Maya“ – was bedeutet, dass die ganze Welt, wie wir sie erleben, eine Illusion, eine Täuschung ist. Diese Maya ist das grösste Hindernis auf dem spirituellen Weg, solange wir sie nicht als Irrbild enttarnen. Die moderne Quantenphysik stösst zum Teil in eine ähnliche Richtung vor und vermutet, dass nur das existiert, was in unserer Wahrnehmung ist. Was wiederum in Frage stellt, ob es überhaupt eine reelle Welt und eine Welt der Phantasie gibt.

Neugier als Triebfeder

Wer sucht überhaupt Gründe, um etwas zu rechtfertigen? Meine geistigen Odysseen entstammen einer tief verwurzelten Neugier. Dabei ist in meinem Erleben die verschlossene Kellertüre oft spannender als die sonnige Wiese, der dunkle Wald faszinierender als der breite Wanderweg.  Yves Patak Schriftsteller www.PatakBooks.com Im Rausch der Möglichkeiten

Man sagt, die Fähigkeit, „andere Welten“ zu bereisen, könne man erlernen. Ich weiß nicht, wie weit ich kommen werde, aber ich will die Möglichkeit nutzen, mein Leben, meine Welt, unendlich viel grösser und spannender zu machen, indem ich mich auf die Reise ins Unbekannte einlasse. Was ich als Kind aus dem Effeff konnte: Der natürliche Keim der Phantasie und die „Verbundenheit mit allem“ ist heute viel schwieriger. Wir wurden zu abgekapselten Individuen sozialisiert, auf Leistung getrimmt, auf Nullachtfuffzehn dressiert.

Aber das Tor zu den anderen Welten geht niemals ganz zu. Ich glaube oft, den Schlüssel zu haben, und ich will mit ihm die Tür öffnen. Denn irgendetwas dort drüben flüstert meinen Namen.

Ist der Schriftsteller Schöpfer oder nur ein Sprachrohr seiner Muse? Darüber scheiden sich die Geister. Die Wahrheit liegt wohl wie so oft in der Mitte. Doch ohne Zweifel ist es eine erschütternde Erfahrung, etwas zu kreieren – und plötzlich vor einer Kreatur zu stehen, die einem eine Gänsehaut über den Rücken jagt.

Da sitzt man am Laptop, versinkt in fremde Dimension, in jene Welten, die man sich gerade ausdenkt, die man zu bewusst zu kreieren glaubt  – und dann geschieht es.

Etwas gerät ausser Kontrolle.

Plötzlich stehen wir mit weit aufgerissenen Augen da, als hätten wir soeben einen Autounfall miterlebt. Genau so fühlte ich mich, als ich eine Szene in meinem ersten Thriller ‚The Healer‘ (zur Zeit in Revision) schrieb. In Al Qatrun, einem Kaff mitten in der libyschen Wüste, wird Sharan, ein Mädchen mit einem übernatürlichen Talent, Opfer einer Hexenjagd. Das Drama spitzt sic zu, und die (nicht besonders liebevolle) Mutter der Heldin raunt dem Vater zu, dass es besser wäre, die kleine Sharan zu töten, bevor die abergläubische Meute der Dorfbewohner die ganze Familie lyncht.

„Töte unsere Tochter!“

Man halte kurz inne. Versetze sich in die Haut Vaters. Seine Ehefrau – kann man es fassen? – fordert ihn auf, die eigene Tochter vorsorglich zu ermorden! Wut erfasst ihn. Das Blut kocht ihm in den Adern. Er hebt die Hand, verpasst der feigen, herzlosen Ehefrau eine vernichtende Ohrfeige. Sie stürzt, spuckt zwei Zähne aus, wischt sich das Blut vom Gesicht, starrt schockiert zu ihrem Ehemann empor …

Ich schrecke aus meiner Schreib-Trance hoch. Sehe die Frau mit dem blutigen Gesicht auf dem harten Boden liegen. Habe ich das geschrieben? Habe ich ihr das angetan? Natürlich. Natürlich nicht. Es … es floss einfach durch mich hindurch. Ich fühlte die hilflose Wut des Vaters. Fühlte meine eigene Überforderung, mit einer Situation umgehen zu müssen, die es nie hätte geben dürfen. Fühlte den unerwarteten Hass auf eine Ehefrau, die sich schon seit Jahren von mir entfremdet hat.

Doch jetzt, wo sie so jämmerlich und fassungslos auf dem Boden liegt, fühle ich … was? Mitleid? Ein schlechtes Gewissen?

Ich fühle mich beobachtet. Fühle die verurteilenden Blicke meiner Leser, die ich eben noch gar nicht wahrgenommen hatte. Doch jetzt sind sie da, stehen um die Frau herum, murmelnd, tuschelnd. Vorwurfsvolle Blicke streifen mich.

Weg, hinweg mit euch! Ich setze mich an den Laptop und lösche die ganze Szene. Schreibe sie neu. Der Inhalt ist ähnlich. Die Ohrfeige verdient. Aber sie ist etwas schwächer. Etwas … stimmiger. Es gibt kein Blut. (Nicht hier, nicht jetzt – davon gibt’s im Rest des Romans noch genug). Der Vater hat wortlos erklärt, was er von der heimtückischen Viper, die er Ehefrau nennt, hält. Er dreht ihr den Rücken zu und geht. Er hat einen Plan. Heute Nacht noch wird er mit Sharan durch die Wüste fliehen.

Immer noch sitzt mir  der Schreck in den Knochen, meine Wangen sind warm von der Scham. Wie konnte ich so brutal sein? War das überhaupt ich?

Es ist einer jener M0mente, in dem man versteht, wie falsch die LeserInnen oft liegen, wenn sie denken, dass der Schriftsteller seine Worte genau plant. Dass alles einer Absicht entspricht. So ist es nicht, nicht immer zumindest. Etwas geschieht. Etwas gerät ausser Kontrolle.

„Dämonen existieren. Basta.“

Es grenzt an Besessenheit, aber dieser Mystery Thriller verlangte einfach danach, geschrieben zu werden. Schrägerweise liegt der Ursprung nicht zuletzt in meiner Tätigkeit als Arzt und psychologischer Berater. Gewisse psychische Störungen, die ich in der Praxis sehe, zeigen Aspekte dessen, was man im Mittelalter Besessenheit genannt hätte. Die moderne Medizin und der Zeitgeist lehren uns natürlich, dass Dämonen und Besessenheit Mumpitz und Aberglaube sind, Gott sei Dank …

Doch wissen wir das wirklich? Es gibt keine Beweise, dass es Dämonen gibt. Ebensowenig, dass es sie nicht gibt. „Absence of evidence is no evidence of absence“, wie man wissenschaftlich-trocken bemerken darf.

Also … was wäre, wenn es diese fiesen, meist unsichtbaren Monster tatsächlich gäbe? Wenn wir bloss verlernt hätten, sie zu erkennen, weil wir lieber an fehlgeleitete Neurotransmitter und Ähnliches glauben? Wer von uns hat sich denn noch nie geirrt? Und gibt es nicht gar Menschen, die ihren Irrtümern zum Opfer fallen …?

Damit war der Pakt besiegelt. Der Roman Ace Driller musste geschrieben werden, drängte mich dazu, Türen zu öffnen, hinter denen Dinge lauern, denen wir nicht begegnen möchten. Der Roman ist vollendet, soll nun in die Welt hinaus – aber in kleinen Portionen. Um meine geschätzten LeserInnen langsam auf das Unsagbare vorzubereiten. Denn zu viel auf einmal kann traumatisch sein. Verstörend. Deshalb erscheint ACE DRILLER vorerst exklusiv als Kindle-Serial in sechs Bänden.

Weltbild … was für ein Weltbild?

Mein Tipp: Genieße dein bisheriges Weltbild. Nur noch ein paar Tage. Glaube fest daran, dass die Erde im Wesentlichen ein guter Ort ist. Halte an deinen Illusionen fest. Denn schon sehr bald werden diese in ihren Grundfesten erschüttert.

Ace Driller Prometheus-Gen Dämonen MAD-Liga Yves Patak Mystery Thriller

Keine Sorge, du bist nicht allein. Auch Ace Driller, die Hauptfigur des Romans, muss erstmal tief durchatmen. Dem taffen Ex-Cop aus Brooklyn vergehen nämlich Sehen und Hören, als er hinter die Kulisse der vermeintlich normalen Welt sieht. Als er erkennen muss, dass nichts ist, wie es scheint – und dass hinter dem dünnen Schleier der sogenannten Realität Monster lauern.

„Dämonen … seriously?!“

Lass dich ein auf eine Reise nach New York City, nach Rom, in das Schweizer Gebirge und in die Schattenwelten dahinter. Vergiss alles, was du zu wissen glaubtest. Denn du liegst falsch.

Die Zeit der heilen Welt ist vorbei.

Willkommen auf der anderen Seite …

ACE DRILLER

 

„Möge jeder, der es verdient, in Frieden ruhen.“

Ein Satz, der mir spontan durch den Sinn kam. Vielleicht hatte ich dabei ein bestimmtes Bild im Kopf? Ja … die Grabsteine vor dem Geisterhaus im Disneyland, der Haunted Mansion. Dort liegt ein Friedhof mit windschiefen Grabsteinen, auf jedem Stein ein flotter Spruch. Fiese, lustige, sarkastische Sprüche. Und zwischen den Zeilen etwas Wunderbares, etwas Magisches:

Die Freikarte der Narrenfreiheit.

Flotte Sprüche, unzensierte Worte, schonungslose Zitate sind die Gewürze der Lebensküche. Doch in manch einer Küche herrscht statt kreativer Freiheit ein striktes Verbot für gewisse Ingredienzen. So wie der Veganer, Lactoseintolerante und Zöliakie-Betroffene gewisse Dinge schlicht nicht verträgt, so verbannen viele Menschen Elemente wie Sarkasmus, Ironie, Ehrlichkeit (!) und schwarzen Humor konsequent aus ihrem Leben. (Die Hoffnung, dass sowas klappen könnte, stirbt zuletzt).

Yves Patak Schriftsteller www.PatakBooks.comAls Arzt und Coach gehe ich gesellschaftliche Kompromisse ein, akzeptiere die meisten Spielregeln, die sich im therapeutischen Setting eingebürgert haben. Als Schriftsteller jedoch möchte ich meine inneren ‚Personae‘ leben, möchte meinem Panoptikum meiner inneren Charaktere die Erlaubnis geben, sich auszutoben. Alles andere wäre ein Freipass in die Langeweile, in das Antonym eines kreativen Lebens.

„Er hat das gesagt, nicht ich!“

Yves Patak www.PatakBooks.com SchriftstellerWas im Alltag (- das Ego lässt grüssen -) unerwünscht und problematisch scheint, ist der Stoff, der Bücher und Blogs aufpeppt. Mal ehrlich? Ich finde es herrlich, wie man sich als Schriftsteller hinter den eigenen Figuren verstecken  und sagen kann: „Er hat das gesagt, nicht ich!“

Der Schriftsteller als Puppenspieler

Vielleicht ist das feige. Man könnte auch sagen, dass der Schriftsteller der Puppenspieler ist, der seinen Figuren Worte in den Mund legen darf und soll. Oder, biblisch interpretiert, ist er der Schöpfer, der seinen Kreaturen den freien Willen mit auf den Weg gegeben hat – was ihn von jeder Verantwortung gegenüber seinen Geschöpfen und deren Aussagen entbindet.  Yves Patak Schriftsteller www.PatakBooks.com

Wie auch immer: Hoch fliege die Fahne der dichterischen Freiheit. Die Narrenfreiheit des Schreiberlings, der hinter seiner Schreibmaschine hervorgrinst und der Welt den Eulenspiegel vorhält.

Und wenn ihr was dagegen habt … fangt mich doch!

I am the Doorway. So heißt eine Kurzgeschichte von Stephen King, die ein Symbol auf den Punkt, das jeden kreativen Prozess mitdefiniert. Das Tor zu anderen Welten.

Okay, ich gebe es zu: Ich habe eine gewisse Besessenheit, was Tore anbelangt. Einen Spleen, was Türen betrifft. Vor allem geschlossene. Denn hinter jeder Tür wartet etwas. Etwas, das mir zuflüstert, die Tür zu öffnen.

Fast noch unwiderstehlicher sind Schlüssellöcher. Echte und virtuelle. Weil weniger oft mehr ist. Das Rundherum, das Abschliessende, bringt das Ziel erst richtig in den Fokus, verleiht ihm Schärfe. Wer will im Theater denn wirklich hinter die Kulisse sehen? Schliesslich soll die Magie unser Blickpunkt bleiben, nicht das seelenlose Räderwerk rundherum.

Weniger ist mehr.

Eine geschlossene Tür kann die Phantasie weit mehr anregen als eine offene, ein Schlüsselloch geheimnisvoller sein als ein Kuriositätenkabinett. Genau wie eine Frau, die wenig Haut zeigt, oft reizvoller ist als jene verzweifelten Kreaturen, die gleich alle nackten Fakten auf den Tisch legen müssen. So, wie sich die Erotik der Fünfzigerjahre (Marylin Monroe) vom nüchternem Marketing-Sex (Miley Cirus, Paris Hilton) der Neuzeit unterscheidet, so deutlich ist der Unterschied zwischen dem magischen, vieles verbergenden Schlüsselloch und dem kühlen Rampenlicht des Ego-Zeitalters.

Seit eh und je sind wir vom Unbekannten fasziniert. Obwohl wir Angst haben, treibt uns eine perverse Neugier vorwärts. Und da wir hier sind, das Unbekannte aber dort, brauchen wir ein Tor, das uns dorthin führt – oder zumindest ein Schlüsselloch, um vorerst gefahrlos und heimlich hinüberzuspähen.

Von keiner Reise kommen wir als Dieselben zurück, die wir waren.

Eines meiner liebsten Schlüssellöcher ist und bleibt das Buch. Es schenkt uns Einblicke in die Seelen und Welten unserer (schreibenden) Mitmenschen. Solche Einblicke sind keine reine Unterhaltung. Sie berühren uns. Verändern uns. Denn von keiner Reise kommen wir als Dieselben zurück, die wir waren.

Fragt man mich nach dem Sinn des Lebens, so habe ich keine Antwort (vielleicht bis auf „42„). Wenn ich aber eine Vermutung äussern dürfte, wäre es, dass es in unserem Leben um Entwicklung geht. Entwicklung entsteht durch innere oder äussere Reize. Womit wir die äussere, angeblich „reale“ Welt genau so brauchen wie die virtuellen Welten in unserem Inneren – oder in den parallelen Welten des Multiversums.

Komm mit. Dort drüben im Dunkeln leuchtet etwas. Ich glaube, es ist ein Schlüsselloch …

 

 

 

Als Schriftsteller lässt man sich ständig auf neue Beziehungen ein. Beziehungen zu den eigenen Romangestalten. Egal, ob sie einem sympathisch oder unsympathisch sind, ob Hauptfiguren oder Nebencharaktere – sie alle pochen auf ihr Recht, zu Wort zu kommen, wahrgenommen zu werden. Manchmal sind solche Rendezvous anregend. Manchmal beängstigend.

Kürzlich traf ich mich mit Michael Coppola, dem Bösewicht aus meinem Thriller „Der Screener“ …

YP: Mister Coppola, Sie sind ein Mafioso, ein Sadist, ein eiskalter Psychopath. Was treibt Sie an? Wovon genau kriegen Sie Ihren Kick, ein Monster zu sein?

Coppola (lächelt süffisant): Nenn mich Mike. Das Gespräch hier kann ganz kollegial ablaufen. Als wären wir Freunde.

YP: Freunde?

Coppola: Nun ja, du hast mich erschaffen. Wofür ich mich bedanke. Was aber noch lange nicht heisst, dass du vor mir sicher bist. Und ich bin kein Psychopath. Ich habe einfach ein paar kleine … nun, Besessenheiten.

YP: Ich würde es eher eine soziopathischen Ader nennen.

„Wovon genau kriegst du deinen Kick, ein Monster zu sein?“

Coppola: Hast du Angst vor mir?

YP: Ein wenig, ja.

Coppola: Da ist er.

YP: Wer?

Coppola: Na der Kick, nach dem du gefragt hast! Ist dir bewusst, wie stark, wie mächtig ich mich fühle, wenn ich dich hier über deinen Notizblock gebeugt sehe, während du versuchst, mich unauffällig im Auge zu behalten? Als könnte ich dich jederzeit … anspringen?

YP: Wie ich mich erinnere, wurdest du als Kind von deinem Vater gequält. Ist es denn wirklich so, dass sich die Geschichte immer wiederholen muss? Dass du deine Traumata – statt sie therapieren zu lassen – wie jeder beliebige Psychopath ausagieren musst?

„Ausagieren macht mehr Spass als Therapie …“

Coppola (lächelt): Ausagieren macht mehr Spass als Therapie. Es ist natürlicher, befreiender. Zudem habe ich mehrere Seelenklempner ausprobiert. Keiner konnte mir helfen. Einige waren so schlecht, dass ihr Berufstitel eine reine Anmassung war.

YP: Und diese Psychiater sind nun …

Coppola: Tot? Klar. Und wie du dir denken kannst, hatten sie keinen leichten Abgang.

YP: Ein unschöner Gedanke. Doch bleiben wir beim Thema. Du liebst also das Gefühl der Macht, wenn du über das Leben anderer bestimmst. Mit ihnen tust, was immer dir beliebt. Und die Angst deiner Opfer schenkt dir dieses Machtgefühl.

Coppola: Oh, nicht nur ihre Angst. Auch ihr Schmerz, ihr Respekt, ihre Ehrfurcht, ihre Faszination vor meiner Skrupellosigkeit.

YP: Faszination? Ich folge nicht ganz …

Coppola: Natürlich tust du das. Schau dich doch an. Du bist von mir fasziniert. Gerade jetzt. Und weisst du, warum?

YP: Um des Gespräches willen: Warum?

Coppola: Weil du mich um meine Freiheit beneidest. Um das, was du und deinesgleichen nie haben werdet. Die Freiheit, ohne Gewissensbisse, ohne Angst vor Recht, Moral und Gesetz mein eigenes Ding durchzuziehen. Zu tun und mir zu nehmen, was ich will. Die Freiheit, mich wie ein Gott zu fühlen, ohne mich dafür schämen zu müssen. Wenn das nicht grenzenlose Macht ist!

YP: Vielleicht täuschst du dich. Ich habe dich erschaffen. Genauso leicht kann ich dich vernichten. Sobald ich den zweiten Teil von „Der Screener“ fertiggeschrieben habe, sobald ich ihn veröffentliche … wer weiss, ob du dann noch existierst.

„Die Geschichte ist noch nicht fertiggeschrieben …“

Coppola (lächelt gelassen): Wie ich es sehe, ist der Roman noch nicht fertiggeschrieben. Und ehrlich gesagt habe ich Mühe zu glauben, dass du mich so einfach loslassen kannst. In deinem Roman bin ich das Salz in der Suppe. Der Pfeffer im Gericht. Ich verpasse deiner Story erst die richtige Würze. Und wenn das alles nicht genügen sollte, um mich am Leben zu halten —

YP: Dann was?

Coppola (lässt sein Zippo-Feuerzeug aufschnappen, betrachtet die Flamme): Ich weiss, wo du wohnst …

Es ist paradox. Obwohl ich seit meiner Kindheit gerne Geschichten erfinde und Seemannsgarn spinne, habe ich noch nie ein Tagebuch geführt. Ich korrigiere mich: Während meiner Zeit als Unterassistent in Kingston, Jamaica, kritzelte ich manche Zeile in ein Tagebuch. Eine Premiere und eine ziemlich spezielle Erfahrung, aber offenbar keine, die mich dazu verführte, dem Tagebuch treu zu bleiben. Soviel zum psychologischen Verdauungsprozess durch schreiben.

Und da sitze ich nun vor dem Laptop und schreibe ein Blog. Ein Web-Log. Ein Cyber-Logbuch, in dem man den  Spaziergang über die Rasierklinge riskieren soll: Hochtrabende Tipps und Ratschläge (autsch!) verteilen, oder einen Seelenstriptease bis auf die Knochen wagen. Beides nicht die reizvollsten Gedanken.

Spaziergang über die Rasierklinge

Doch jetzt, wo ich mich auf dieses neue Abenteuer eingelassen habe, findet eine Metamorphose statt. Es ist das seltsame, irgendwie anregende Gefühl, für ein unsichtbares Publikum zu schreiben. Für Menschen, die ganz allmählich aus der virtuellen Wolke auftauchen, sich materialisieren, real werden – und mit mir in Verbindung treten. Und auf einmal geht es um das brutale Thema der Selbsterkenntnis. Bin ich A) ein Strassenkünstler, der sich mit der Violine an eine Strassenecke stellt und versucht, den Saiten ihre schönste Melodie zu entlocken – und plötzlich feststellt, dass ein Publikum seiner Musik lauscht? Oder B) eine jener skurrilen Gestalten, die im Park auf eine Bananenkiste stehen und mit dem Megaphon am Mund den Weltuntergang verkünden?

Jeder findet seine Gruppe

Vielleicht spielt es keine Rolle. Weil jeder seine Gruppe findet. Frei nach dem Prinzip der Resonanz. Womöglich ist es belanglos, dass das Schreiben für ein noch weitgehend unbekanntes Publikum eine Form des Wahnsinns ist. Wie soll man das schon selbst beurteilen? Und wer weiss, vielleicht möchtet ihr mich dennoch begleiten … in Schattenwelten, wo der Wahnsinn schlicht dazugehört. Wo alles passieren kann. Vielleicht teilen wir diese spezifische Neigung.

Nicht jeder tut dies. Menschen, die Liebesromane lesen oder sich den „Förster vom Silberwald“ reinziehen, können diese befremdliche Veranlagung kaum verstehen — das Verlangen, die Gefahr, das Gruselige, das Unnennbare zu suchen. Mit der Kerze in der Hand in den Keller zu schleichen und nachzuschauen, woher das seltsame Klopfen und Flüstern kommt. Doch ein Teil in mir ist überzeugt, dass auch eine solche unerklärliche Veranlagung ihren Sinn hat. Dass viele Menschen das Bedürfnis fühlen, sich mit dem Grauen auseinanderzusetzen. Um es kennenzulernen, und sich – vielleicht – eines Tages mit ihm zu versöhnen. Es als Teil des grossen Ganzen zu akzeptieren, als Aspekt des kosmischen Yin und Yang.

Die Tür steht offen

Meine Metamorphose vom Arzt zum Schriftsteller schreitet fort. Natürlich werde ich auch meine Beratungen, mein Coaching mit Freude fortführen. Aber die andere Stimme ist immer da. Geduldig. Beharrlich. Sie fordert mich auf, immer wieder nach der Kerze zu greifen, in den Keller zu gehen, über knirschende Stufen. Denn dort unten sind Türen. Unendlich viele Türen. Die einen stehen offen. Andere sind Kerkertüren, verriegelt, staubig, abweisend – und unwiderstehlich.

Es ist schön, dass ihr mich ein Stück des Weges begleitet. Denn zusammen sind wir sicherer. Oder zumindest hoffe ich das.

Kommt … die Kellertür steht offen!

 

Feuer!

Manchmal ist es ganz schön gruselig, wenn man einem Psychopathen begegnet. Vor allem, wenn es der „eigene Psychopath“ ist – der, der im eigenen Kopfkino Feuer legt. Michael „Die Flamme“ Coppola ist ein Ungeheuer mit einem traumatischen Hintergrund. Ein Monster, das in der vulkanischen Macht des Feuers ein Ventil gefunden hat. Doch Mike ist nicht ein gewöhnlicher Pyromane, der es liebt, Feuer zu entfachen, sondern ein soziopathischer Sadist, eine ebenso charismatische wie beängstigende Figur – eine Figur, die mir kürzlich zugeflüstert hat, dass mein Thriller „Der Screener“ – entgegen meinem ursprünglichen Plan – nach einer Fortsetzung verlangt. Charmant und unmissverständlich droht mir Mike, dass er mit dem Feuer, mit mir und der Leserschaft noch lange nicht fertig ist.

Ich höre seine Worte und behalte eine Poker-Miene, während Gänsehaut über meinem Rücken prickelt. Kann man einem Psychopathen nein sagen?

„Feuer …!“

Die Frage ist rhetorisch. Und so nicke ich, wohl wissend, dass man Coppola nicht widerspricht. Aber vielleicht kann ich mit ihm verhandeln. Vorsichtig. Diplomatisch. Denn man weiß nie, wie seine Launen sind. Ob er gerade cool ist … oder kurz vor dem Durchbrennen.

Es ist mein Risiko als Schriftsteller, in der Fiktion Gott zu spielen, in den Prozess der Schöpfung einzugreifen, der sich jederzeit gegen mich, den Schöpfer wenden kann. Romanfiguren erwachen zum Leben (siehe auch Stark, the Dark Half, von Stephen King), entwickeln eine Eigendynamik, einen eigenen Charakter und Willen – und nicht immer entspricht dieser Wille dem des Schriftstellers.

Michael Coppola war für mich zunächst nur der Teufel, der überall Feuer legt und meinem Helden das Leben schwer macht. Doch manches hat sich verändert. So wie es aussieht, wird „Der Screener“ nach einer totalen Revision eine Fortsetzung finden, die vor meinem geistigen Auge bereits zum Leben erwacht.

Das war nicht geplant, aber ich kann nicht leugnen, dass in mir ein blutroter Funke von Vorfreude glüht. Ich habe verstanden, warum das Ende des ursprünglichen „Screener“ mich mit Frustration erfüllte. Die Lösung ist so einfach: Es darf noch kein Ende geben. Denn der Thrill hat eben erst begonnen. Und bin gespannt, was Michael „Die Flamme“ Coppola noch mit uns allen vorhat …

Der Patak Blog ist eine Du-Zone. Na und? magst du fragen. Viele Blogs sind Du-Zonen. Warum dies erwähnenswert ist? Weil das Du offenbar nicht überall der Idealfall ist.

In meiner Praxis als psychologischer Berater und Hypnosetherapeut hat es sich oft ergeben, dass ich mit meinen PatientInnen das Heu auf der gleichen Bühne hatte, so dass ein spontanes Du-Setting entstand, auf das ich gern einging. Du. So persönlich, vertraulich, freundschaftlich. Wer hätte gedacht, dass es im therapeutischen Setting ein mieser Verräter sein kann.

Das Du kann ein mieser Verräter sein.

Denn bei vielen dieser therapeutischen Du-Gemeinschaften entstand eine seltsame Alchemie. Das vertrauliche Du förderte das gute Gefühl, die Sympathie, während es die Objektivität, die therapeutische Distanz untergrub. „Therapeutische Distanz“ … was für ein hässlicher Begriff. Wer will zu einem Menschen, dem man helfen will, Distanz aufbauen? Wohl keiner. Aber die Professionalität lehrt es uns, sonst tut es die Erfahrung. Ich erkannte, dass ich mit einigen meiner Du-KlientInnen ins Land der Plaudereien abdriftete. Das therapeutische Ziel verschwand im Nebel, das ärztliche Setting gelangte in Schieflage. Manchmal konnte ich das Schiff wieder auf Kurs bringen, manchmal kenterte es.

Du-Zone: Rücken an Rücken kämpfen

Der Patak Blog ist anders. Hier wollen wir gemeinsam, auf vertraulicher Ebene, die Welten der Phantasie erforschen. Die Möglichkeiten der Schriftstellerei. Das atemberaubende Gefühl, etwas zu kreieren. Und wenn wir gemeinsam auf die Reise gehen, mag es vorkommen, dass wir zwischendurch Rücken an Rücken kämpfen müssen – und dafür braucht es keine therapeutische Distanz, sondern Nähe und Vertrauen.

Nicht, dass die Welten des Wörter und Buchstaben keinen therapeutischen Effekt haben. Es gibt sogar den Begriff der Bibliotherapie, wo es unter anderem um die „Heilkraft der Sprache“ geht. Aber in diesem Blog geht es um andere Ziele. Um den Sprung in jene Dimensionen, wo das Mögliche und das Unmögliche miteinander verschmelzen. Wo wir uns und unsere Umgebung bei jedem Schritt neu interpretieren oder erfinden müssen. Das Du bietet uns die Nähe und das Vertrauen von Waffenbrüdern.

Da wären wir also. Du und ich. Unsere erste Begegnung. Etwas wartet auf uns. Obwohl der Cyberspace unendlich gross ist, sind wir hier zusammengekommen. Fremde, die zufällig in die gleiche Richtung reisen. Vielleicht werden wir Freunde. Vielleicht sind wir auch Opfer und Täter.

Gibt es eine Rollenverteilung?

Es spielt keine Rolle.

Etwas wartet.

Schau dich um. Um uns herum ist es dunkel, aber hier, zwischen uns, brennt eine einzelne Kerze. Sie ist schon ziemlich weit heruntergebrannt, und sie flackert, lässt uns wissen, dass um uns herum, in der Dunkelheit, keine Mauern sind, sondern der Hauch des Ewigen, der Unendlichkeit.

Schon bald werden wir diesen Ort verlassen. Denn da draussen warten Welten. Dimensionen. Realitäten.

Hörst du es? Jene Welten flüstern uns zu, wollen uns ihre Geschichte erzählen. Einige Geschichten sind lustig. Bewegend. Inspirierend. Andere wiederum sind düster. Herzzerbrechend. Gefährlich. Tödlich.

Lass uns aufbrechen. Es ist Zeit.
Da draussen wartet etwas …